Liebe Migros, wir müssen uns kurz unterhalten

Liebe Migros, wir müssen uns kurz unterhalten

Martin Schiller, 03.06.2024

Es ist meine feste Überzeugung, dass wir nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern unsere eigenen Hausaufgaben lösen sollen. An dieser Stelle möchte ich aber eine Ausnahme machen, denn was die Migros gerade gross ankündigt, ist schon harter Tobak. Jahrelang wird behauptet, wie nachhaltig gearbeitet wird. Vom «nachhaltigsten Detailhändler der Welt» war die Rede. Bioläden? Braucht es nicht, denn man ist ja selbst sozial und umweltverträglich unterwegs.

Wie schnell der Wind dreht. 2019 waren die Klimastreiks, die Klimabewegung in aller Munde. Nachhaltigkeit war gerade Chic. Dann ist Corona gekommen und hat dem Detailhandel – insbesondere auch im Bio-Bereich, so wie auch uns von Terra Verde – einen Aufschwung gebracht. Es schien fast so, als dass das Thema Nachhaltigkeit mehr als nur ein Lippenbekenntnis war. Doch seit dem Ausbruch des Ukraine-Konfliktes und der steigenden Inflation scheint der Fokus wieder vielmehr auf dem Preis zu liegen. Klar, das Leben ist teurer geworden. Aber wie wir bereits an anderer Stelle vermerkt haben, bezahlt die Zeche des Preisdrucks am Schluss immer irgendjemand. Wir sind klar der Meinung, dass Umwelt- und soziale Themen immer wichtig sind und nicht nur je nach Trend als Marketingthemen ausgeschlachtet werden sollten. Was jetzt aber der neue Nachhaltigkeitschef der Migros im Tages Anzeiger vom 26. Mai 2024so ehrlich äussert, dass überrascht selbst mich. Die Migros habe in den vergangenen Jahren in Klima- und Umweltfragen eine Vorreiterrolle bei den Detailhändlern eingenommen, zitiert der Tagi Rohrer. Mittlerweile sei die Konkurrenz jedoch in vielen Bereichen nachgezogen. Weiter wird er zitiert:

«Es ergibt deshalb wenig Sinn, in diesem Bereich weiterhin eine Vorreiterrolle zu übernehmen.» (...) «Wenn wir zum Beispiel für importiertes Fleisch die gleichen Tierstandards verlangen wie in der Schweiz, klingt das toll. Wenn die Konsumentinnen und Konsumenten ihr Import-Fleisch dann aber einfach bei der Konkurrenz kaufen, weil es dort billiger ist, nützt das dem Tierwohl rein gar nichts – die Migros verliert aber Marktanteile.»

Das zeigt doch genau auf, wie in den von Verkaufszahlen und Marketing getriebenen Konzernen gedacht wird: Umwelt? Gut, wenn damit Geld verdient werden kann. Tierwohl? Wichtig, wenn damit Geld verdient werden kann.
Danke, liebe Migros, dass ihr es uns in Zukunft wieder einfacher macht, uns von euch abzugrenzen. Weil mit solchen Strategiewechseln in der Kommunikation wird für die Konsument:innen klarer, wo ihr eure Schwerpunkte wirklich setzt. Und wir finden halt einfach wirklich: «Jedä Seich» muss nicht mitgemacht werden.

Immerhin unterstreichen solche Aussagen, dass es den Biofach- und Fair Trade-Handel braucht und er auch in Zukunft seine Daseinsberechtigung hat. Denn «konsequent biologisch» ist hier nicht einfach Marketing oder Trend. Das ist unsere Grundhaltung, an der nicht gerüttelt wird. Und was Christoph Rohrer angeht, entbehrt sein Jobtitel «Nachhaltigkeitschef» unter gegebenem Gesichtspunkt nicht einer gewissen Ironie. Immerhin kann man über das noch schmunzeln.

Es grüsst euch herzlich,
Martin Schiller
Geschäftsführer Terra Verde