Der Preis deiner Lebensmittel
«Bio muss nicht teuer sein» titelte die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» in der Ausgabe vom 6. September. Und generell seien Bio-Lebensmittel in der Schweiz bei Lidl am günstigsten. Grundlage dieser Aussage bildete ein Preisvergleich eines Bio-Warenkorbs bei den vier grossen Schweizer Detailhändlern. Solch simple Preisvergleiche sind aus unserer Sicht wenig sinnvoll. Denn reine Preisvergleiche greifen bei der Frage, wie viel (Bio-)Lebensmittel kosten dürfen, zu wenig weit und lenken den Fokus weg von einer kritischen Auseinandersetzung mit der Fragestellung. Der Versuch einer Einordnung.
Ob der Preis eines Lebensmittels angemessen ist oder nicht, ist eine komplexe Fragestellung und eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Preisfrage ist oft kompliziert. Einerseits freuen sich Konsument:innen über billige Preise. Andererseits möchten sie natürlich möglichst qualitative, gesunde und nachhaltige Produkte. Doch sollten günstige Preise einen immer auch etwas kritisch stimmen: Wo wird eingespart? Und wird am Ende vielleicht sogar am falschen Ort gespart, nämlich bei der Qualität? Ob «billig und gut» bei der Lebensmittelproduktion Hand in Hand gehen können, und ob das für die Hersteller:innen oder unseren Planet auch aufgeht, dahinter setzen wir zumindest ein grosses Fragezeichen.
Wir von Terra Verde glauben aus fester Überzeugung an Bio und sind der Meinung, dass der biologische Weg der Richtige ist. Und um den Markt für Bio-Produkte zu ebenen, brauchen wir tatsächlich alle: Den Fachhandel, die Grosshändler aber auch die Discounter. Denn nur wenn alle auf biologische Standards setzen, kann der Anteil verkaufter biologischer Produkte wachsen. Aber: Dass Bio-Produkte nie so günstig sein können, wie konventionelle Produkte, sollte eigentlich klar sein. Es steckt mehr Arbeit in biologischen Lebensmitteln und es wird nicht «jede Seich» mitgemacht in Bio. Die erlaubten Hilfsmittel in der Verarbeitung und auf dem Feld sind - zum Glück - stark eingeschränkt, dafür sind aber auch die Erträge geringer. Unter dem Strich ist es plausibel, dass ein Bio-Produkt mehr kostet.
Dennoch ist für viele Personen der Preis von Bio-Produkten das Killerkriterium, weshalb sie sich gegen Bio entscheiden. Neuerdings sind daher auch die Preisunterschiede bei Bio gewaltig, wenn man zwischen Discountern, dem Grosshandel und dem Bio-Fachhandel vergleicht. Die grossen Profiteure und Wachstumstreiber biologischer Lebensmittel waren in den letzten Monaten demnach auch Discounter.
Externen Kosten – oder welchen Preis nachhaltig produzierte Produkte wirklich haben
Um mit gleichen Ellen zu messen, finden wir jedoch, – und dies gilt sowohl bei biologischen als auch bei konventionellen Produkten – dass soziale und ökologische Kriterien auf alle Fälle berücksichtigt werden müssen und ein Preiskampf auf Biegen und Brechen eigentlich nur Verlierer hinterlässt.
Heute entfallen in der Schweiz rund 7% der Konsumausgaben auf den Einkauf von Lebensmitteln. Das ist sowohl historisch als auch aktuell auf der ganzen Welt ein Tiefstwert. Noch nie war Essen so billig im Vergleich zum verfügbaren Einkommen. Auch wenn die Inflation in den letzten Monaten die Preise ein wenig angehoben hat: Lebensmittel sind heutzutage so billig wie noch nie – häufig auf Kosten der Umwelt, der Gesundheit und der Produzent:innen und Landwirt:innen.
Hinzu kommt, dass die scheinbar so billigen Lebensmittel auch uns finanziell teuer zu stehen kommen. Schuld daran sind die sogenannten externen Kosten, die durch negative Auswirkungen der (intensiven) landwirtschaftlichen Produktion entstehen. Bei den sogenannten externen Kosten handelt es sich unter anderem um Massnahmen, die z. B. für die Aufbereitung von nitrat- und pestizidbelastetem Trinkwasser nötig werden und von der Gesellschaft getragen werden müssen.
Es fallen aber auch monetär nur schwer messbare Faktoren an, darunter, wie mit dem Einsatz von Pestiziden verbundene Gesundheitskosten oder Kosten, die durch den Verlust von Bestäubern, der Biodiversität oder durch den von der Landwirtschaft mitverursachten Klimawandel entstehen. Laut unterschiedlicher Berechnungsmodelle gehen die externen Kosten jährlich in Milliardenhöhe. Bisher fliessen diese gesellschaftlichen Kosten, wenn überhaupt, nur unzureichend in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein.
Das Verursacherprinzip
«Vision Landwirtschaft» schätzt, dass heute nur rund 53% der Kosten für ein landwirtschaftliches Produkt über den Preis an der Ladentheke abgedeckt sind. Es wird geschätzt, dass 23% der landwirtschaftlichen Kosten sogenannte externe Kosten sind. Sprich, Kosten wie Umwelt- oder Gesundheitsschäden. Wer kommt für verschmutzte Gewässer oder Treibhausgasemissionen auf? Landwirt:innen, die ökologische Aspekte in ihre Planung miteinbeziehen, werden vom Bund (teilweise) dafür entschädigt. Richtig so, finden wir! Doch mit dieser Lösung ist gerade den Konsument:innen oft nicht bewusst, was eigentlich die wahren Kosten ihrer Lebensmittel sind. Hier besteht klar Nachholbedarf.
Das Verursacherprinzip (polluter pays principle der UN), welches davon ausgeht, dass entstehende Kosten von demjenigen zu tragen sind, der sie verursacht, wird bisher – vorsichtig ausgedrückt – nicht konsequent angewendet. Das heisst, dass die mit der intensiven Lebensmittelproduktion verbundenen externen Kosten nicht von den eigentlichen Verursachern, sondern von uns allen getragen werden müssen.
Wichtig ist es zu betonen, dass wir eben nicht den Landwirt:innen die Schuld zuweisen möchten. Vielmehr möchten wir das Bewusstsein um die Gesamtkostenrechnung eines Produkts in den Vordergrund stellen und den Konsument:innen mehr Verantwortung übertragen.
Gleichzeitig ist es für Konsumierende heute kaum möglich, nachzuvollziehen, wie ein Rüebli oder eine Kartoffel angebaut wurden und welche Auswirkungen ihr Kauf hat. Hier sehen wir den Handel in der Verantwortung, Transparenz zu schaffen. Wer diese Verantwortung auf Konsumierenden abschiebt, macht es sich zu einfach, finden wir. Daher sind wir bei Terra Verde bestrebt, Garant für bestimmte Standards zu sein: Seien das transparente Lieferketten, 100% biologische Produkte oder faire und loyale Partnerschaften.
Die Landwirtschaft trägt mit Emissionen zum Klimawandel bei
Es ist nicht abzustreiten, dass die Lebensmittelherstellung Treibhausgase verursacht. Auch die Lebensmittel von Terra Verde haben einen Fussabdruck. Aber: Essen müssen wir (fliegen nicht unbedingt). Und gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch in besonderem Masse betroffen von den klimatischen Veränderungen. Extremereignisse wie Starkregen, Dürreperioden, starke Winde haben zugenommen, führen zu einer erschwerten Planbarkeit und zu Ernteausfällen. Die biologische Landwirtschaft hat das Potential, klimafreundlich zu wirtschaften. Denn sie hat eine günstigere Klimabilanz und ist klimafreundlicher als die konventionelle Landwirtschaft. Man arbeitet mit Kreisläufen, mit Fruchtfolgen, um den Boden fruchtbar zu halten, man verzichtet auf synthetische Spritzmittel oder mineralische Dünger und arbeitet mit statt gegen die Natur. Ganz anders die konventionelle Landwirtschaft, welche auf chemisch-synthetische Pestizide und mineralische Düngemittel setzt, welche unglaublich energieaufwändig sind und mit enormen Mengen Gas hergestellt werden. Zudem ist eine Fruchtfolge in vielen Ländern nicht Pflicht, sondern wird als lästig angesehen.
Die offensichtlich vielen Vorteile der biologischen Landwirtschaft haben, zumindest aus wirtschaftlicher Perspektive, auch Nachteile: Bio bedeutet Mehraufwand. Man kann nicht alles tot spritzen, sondern «muss» mit der Natur arbeiten. Mit der Natur zu arbeiten, heisst, präsenter zu sein, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Das Ausbringen von Nützlingen oder Hormonfallen, das Anlegen einer Hecke zur Förderung von Nützlingen, das Spritzen ganz spezifischer, weniger wirkungsvoller (dafür umweltverträglicher) Spritzmittel, das Hacken von Unkräutern (statt präventiver chemischer Beseitigung). In der Bio-Tierhaltung gelten strengere Richtlinien beim Futter oder Platz pro Tier sowie beim Einsatz von Antibiotika. Bei der biologischen Lebensmittelverarbeitung ist der Einsatz von Zusatz- und Hilfsstoffen deutlich eingeschränkt. Zusätzlich fallen Kosten für die umfassende und lückenlose Kontrolle der Bio-Richtlinien an, die sich auch im Preis von Bioprodukten wiederfinden.
Aber einer der wohl grössten «Nachteile», den man dem biologischen Anbau anlastet, ist der kleinere Ertrag pro Hektare. Dies kann nicht abgestritten werden. Und eine Fruchtfolge birgt zwar viele positive Eigenschaften, doch Fruchtfolge bedeutet eben auch, dass man nicht jedes Jahr rentable Rüebli anbauen kann, sondern auch mal Produkte in die Fruchtfolge nehmen muss, die einen geringeren Absatz haben.
Gegner der biologischen Landwirtschaft argumentieren daher oft, dass man es sich eigentlich gar nicht leisten könne, nicht möglichst intensiv zu wirtschaften.
Wer der Meinung ist, dass sich unser Konsumverhalten nicht ändern muss in den nächsten Jahren, kann so argumentieren. Was jedoch nicht genug gesagt werden kann, ist, dass rund 60 Prozent der Ackerflächen (Mais, Weizen etc.) zum Anbau von Tierfutter verwendet werden. Damit könnten genauso gut Menschen ernährt werden. Es ist daher das immer gleiche Mantra: Würden wir weniger Fleisch- und Milchprodukte essen, könnten wir mit Bio-Landwirtschaft genügend Lebensmittel zu produzieren.
Der Schritt zur Kostenwahrheit
Ähnlich wie Vision Landwirtschaft hat ein deutsches Forscherteam der Universität Augsburg die externen Kosten für Deutschland unter die Lupe genommen: Eine Schlussfolgerung war, dass die externen Folgekosten tierischer Lebensmittel (unabhängig, ob Bio oder herkömmlich) höher sind, als die pflanzlicher Lebensmittel. Die deutlich höchsten externen Kosten verursachen nach diesen Berechnungen tierische Lebensmittel aus konventioneller Produktion. Im Vergleich herkömmlicher mit biologischer Produktion führen vor allem der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger beim Pflanzenanbau sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter bei der Nutztierhaltung in allen untersuchten Lebensmittelkategorien zu geringeren externen Kosten bei biologischen Lebensmitteln.
Nicht untersuchte Daten zu weiteren Umweltfolgen, wie beispielsweise den gesellschaftlich-sozialen Auswirkungen von Antibiotikaresistenzen oder den ökologischen Auswirkungen durch den Einsatz von Pestiziden, ist unzureichend, sodass in der Studie keine Aussage darüber getroffen werden konnten.
Ein weiterer schwer einschätzbarer, aber ganz wesentlicher ökonomischer Wert liegt in der Bestäubungsleistung von Insekten. Da über 80 Prozent der heimischen Nutz- und Wildpflanzen auf Insektenbestäubung angewiesen sind, ist die tierische Bestäubungsleistung für eine landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherheit unverzichtbar und spielt auch eine wesentliche ökonomische Rolle. In verschiedenen Studien wurde in den letzten Jahren der Versuch unternommen, den monetären Nutzen der Bestäubungsleistung zu schätzen, der sich durch den Rückgang der biologischen Vielfalt vermindert. Der wirtschaftliche Wert der Bestäuberleistung in der Landwirtschaft wird dabei weltweit auf zumindest 150 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Der Versuch, externe Kosten darzustellen und zu berücksichtigen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Kostenwahrheit und zeigt die Differenz zwischen aktuellen Marktpreisen und den tatsächlichen Preisen auf.
Die Schwierigkeit einer umfassenden Darstellung liegt allerdings in der Komplexität der Entstehung und Auswirkungen dieser Folgekosten. Bei der Analyse von externen Kosten wird in den verschiedenen Studien der Fokus auf unterschiedliche Einzelbereiche gelegt. Der interdisziplinäre Charakter, komplexe Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und die Schwierigkeit verschiedene Leistungen monetär zu beziffern - auch deshalb, weil die damit verbundenen Folgen in der Zukunft liegen (Klimawandel, Verlust der Biodiversität) - machen eine umfassende Gesamtübersicht über alle, mit der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion verbundenen externen Kosten kaum möglich. Das Gleiche gilt für die durch die Landwirtschaft erbrachten Leistungen.
Die Bio-Wiege, der Biofachhandel, leidet unter dem Preisdruck
Doch warum erzählen wir dies alles? Biologische Landwirtschaft ist im Mainstream angekommen. Das finden wie einerseits gut. Doch wenn es andererseits nur darum geht, ein möglichst grosses Stück vom Bio-Kuchen abzubekommen, und zwar mit Kampfpreisen, gehen die wichtigen Aspekte von Bio verloren. Den Konsument:innen wird vermittelt, sie können «de Foifer und ‘s Weggli» haben: Gute, nachhaltige Produkte, die Welt damit retten und dies alles zu sehr tiefen Preisen. Das ist eine Rechnung, die nicht aufgeht.
Eine Konsequenz davon: Der Biofachhandel leidet. Oft sind es diese Pioniere, die zusammen mit innovativen Landwirt:innen Bio überhaupt salonfähig gemacht haben. Im Preiskampf mit den Grossen können sie jedoch nicht mithalten. Der harte Preiskampf, der auch mit Biolebensmitteln geführt wird, bringt die Hersteller in Bedrängnis. Denn irgendwann muss irgendwo gespart werden. Sei es bei den Zutaten, der Qualität der Produkte, den Arbeitskräften – wo möglich, wird dann an verschiedenen Schrauben gedreht, um ein Produkt möglichst günstig anzubieten. Oder die Verarbeiter geben den Druck and die Bauern weiter, die dann weniger Geld bekommen für die unglaublich harte Arbeit.
Zukunftsfähige Wege finden und gehen
Umso wichtiger ist es daher, die sozialen und ökologischen Qualitäten von Produkten in den Fokus zu rücken. Aspekte wie regionale Herkunft, Sozialstandards bei der Herstellung, echte Genusswerte oder die fachliche Qualifizierung der Mitarbeiter:innen haben einen Wert.
Als Beispiel möchten wir unseren Risottoreis heranziehen: Im 2022 gab es aufgrund Schneemangels und dem daraus resultierenden Wassermangel im Frühjahr schlechte Ernten. Wir hätten uns abwenden und unseren Reis einfach günstiger von jemand anderes an der Börse in Mailand kaufen können. Doch wir hielten unserem Reisbauern die Stange, haben gemeinsam einen gangbaren Weg gefunden: Im Gegenzug zu leicht höheren Einkaufspreisen haben wir unseren Risottoreis trotzdem in der nachgefragten Mengen und Qualität bekommen. Einen kleinen Teil der Mehrkosten haben wir an unseren Verkaufspreis weitergegeben, den grösseren Teil jedoch haben wir auf uns abgewälzt und auf die Marge verzichtet. So konnten wir unserem Reisbauern einen gerechten Preis bezahlen, verlangen von unseren Kund:innen noch immer einen fairen Preis und wir können dafür abends in den Spiegel schauen. Klar, solche Lösungen sind natürlich nur temporär möglich und auch nur dann, wenn man bereit ist, ein finanzielles Nullsummenspiel in Kauf zu nehmen. Doch genau solches Handeln wiederspiegelt unseren Selbstanspruch und unsere Wertehaltung.
Es liegt an uns, neue Wege zu finden und die Standards von morgen zu setzen. In der Nische gibt es immer wieder Chancen. Ein wichtiger Leitstern bleibt dabei stets die Qualität. Und wer unsere Balsamici mit anderen verglichen hat, weiss, wovon wir sprechen. 😉